Wenn ein Gesundheitsrisiko auch noch beworben wird

Wenn ein Gesundheitsrisiko auch noch beworben wird

Manchmal lese ich etwas und kann kaum glauben, was dort steht.
Genau so ging es mir, als ich in der taz las, dass das Bundesagrarministerium eine Werbekampagne für deutschen Wein plant. Kostenpunkt: bis zu eine Million Euro. Auch wenn offiziell alkoholfreie Weine in die Kampagne einbezogen werden sollen, wird damit trotzdem für ein Produkt geworben, das krank machen kann.

Lobbyarbeit und falsche Prioritäten

Selbst das Gesundheitsministerium sagt: „Es gibt keinen Alkoholkonsum ohne Risiko.“ Denn Alkohol ist ein Nervengift. Und trotzdem steht eine staatlich finanzierte Imagekampagne im Raum, nur weil der Weinabsatz gesunken ist.
Das riecht nach Lobbyarbeit – und nach völlig falschen Prioritäten.

Gefordert wurde die Kampagne von Alois Rainer (CSU). Seine Grünen-Amtskollegin Linda Heitmann warf ihm „pures Bedienen von Lobby- und Klientelinteressen auf Kosten der Gesundheit“ vor. Und Ates Gürpinar von der Linken sagte: „Die Regierung betreibt damit aktiv Suchtförderung in der Bevölkerung.“ Ich finde, deutlicher kann man falsche Prioritäten kaum benennen.

Kein Schutz für die, die ihn brauchen

Auch wenn niemand mehr über aktuelle Corona-Zahlen berichtet, stecken sich viele Menschen an. Und gerade jetzt im Herbst, werden die Zahlen wieder massiv steigen. Was aber immer noch viel zu viele Menschen nicht wissen: Studien zeigen, dass sich nach einer Corona-Infektion bei einem spürbaren Anteil der Betroffenen ME/CFS entwickelt. Das ist also kein Randphänomen, sondern eine reale Gefahr, die jeden jederzeit treffen kann.

Und trotz dieses Wissens werden keine Informationskampagnen ins Leben gerufen. Trotzdem gibt es auch keine Aufklärung darüber, dass jede neue Infektion für ME/CFS-Betroffene eine Verschlechterung bedeuten kann. Dass diese Menschen die Rücksicht aller brauchen.

Welche Themen bekommen Gewicht – und welche nicht

Über Weinwerbung an sich rege ich mich gar nicht auf. Sondern darüber, dass sie wichtiger scheint als Aufklärung, als Schutz und als Verantwortung. Dass es in diesem Land möglich ist, trotz des Gesundheitsrisikos Millionen in Imagepflege für Alkohol zu stecken, während Betroffene wie wir um jeden Euro für Forschung und Information kämpfen müssen.

Ich lebe mit ME/CFS. Ich weiß, was eine Infektion anrichten kann – und wie sehr man auf Rücksicht angewiesen ist. Und trotzdem wird das Thema Infektionsschutz immer noch behandelt, als ginge es um eine persönliche Befindlichkeit statt um gesellschaftliche Verantwortung.

Denken Verantwortliche noch selbst?

Nach solchen Aussagen frage ich mich, ob Verantwortliche überhaupt noch selbst denken oder einfach nur wiederholen, was Lobbyisten ihnen in den Mund legen.
Wenn selbst Abgeordnete unterschiedlicher Parteien von Suchtförderung und Lobbyinteressen sprechen, sollte das eigentlich ein Weckruf sein.

Doch stattdessen scheint vieles einfach weiterzulaufen, als ginge es um harmlose PR statt um Gesundheitspolitik. Vielleicht wäre schon viel gewonnen, wenn diejenigen, die entscheiden, wieder lernen würden, Verantwortung zu übernehmen und zum Wohl der Menschen zu handeln, nicht zum Wohl einzelner Branchen.

Bis dahin schreibe ich weiter – auch dann, wenn es Kraft kostet.
Weil Schweigen für mich keine Option ist.

Was denkt Ihr über diese Pläne?

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Quelle: https://taz.de/Deutsche-trinken-weniger-Alkohol/!6117283/